Sonntag, 14. November 2010

Schluss mit der Notlösung Zeitarbeit!


















Jobwunder Zeitarbeit. Eine Branche, deren Geschäftsmodell bereits im Jahre 1948 mit einer Idee der beiden amerikanischen Rechtsanwälte Aaron Scheinfeld und Elmer L. Winter aus Milwaukee (Manpower Inc.) begann und dann über den Klageweg der Firma Adia Interim (seit dem Zusammenschluss mit dem französichen Zeitarbeitsunternehmen Ecco auch als Adecco bekannt) Anfang der 1970er Jahre auch ihren Siegeszug in Deutschland aufnahm, hat es auch bis heute noch nicht wirklich schaffen können, sich als Topbranche am Bewerbermarkt etablieren zu können. Obwohl sie kontinuierlich wächst, wächst mindestens im gleichen Maße das Mißtrauen ihr gegenüber. Das Jobwunder entpuppt sich häufig als simple Notlösung. "Besser Zeitarbeit, als arbeitslos", beschreiben viele Zeitarbeiter auch heute noch ihre Entscheidung für einen Job in der Branche.

Das Gros der Ängste von Bewerbern ist seit vielen Jahren bekannt. Schnellerer Verlust des Arbeitsplatzes, Unsicherheit über die Einsatzlänge im Kundenunternehmen oder Folgeaufträge, niedrigerere Entlohnung als die Stammbeschäftigten des Kundenunternehmens, geringe  oder nur punktuelle Weiterbildungschancen, dubiose Werkvertragskonstrukte, Drehtüreffekte und vieles mehr bringen Bewerber immer wieder mit der Zeitarbeitsbranche in Verbindung. Zudem häuft sich die negative Berichterstattung in den Medien zur Zeitarbeit und so unbequem das für viele Zeitarbeitsunternehmen auch ist: Häufig nicht zu Unrecht. Populäre Fälle gibt es auch aktuell zu Genüge:
Ohne überhaupt diese exemplarisch gewählten und populären Fälle auf deren  eigentlichen Wahrheitsgehalt im Detail durchleuten zu wollen, stehen diese Beispiele jedoch symptomatisch für das Imageproblem der Zeitarbeit. Auch wenn sich zahlreiche positive Beispiele und auch Chancen für die Zeitarbeit aufzählen lassen, so wird immer deutlicher, dass meist nur die negativen Beispiele im Gedächnis der Menschen hängen bleiben.

Noch mehr als die Zeitarbeitsunternehmen und ihren Verbänden selbst, ägern sich jedoch die  so genannten operativen Mitarbeiter der Personal- und Vertriebsdisposition oder Administration und Mitarbeiterbetreuung, da sie sich Tag ein Tag aus dem Mißtrauen der Bewerber stellen müssen, ohne deutlich erkennbare Hilfestellung der Unternehmen und Verbände selbst. Keine groß angelegte Imagekampagne oder guten Pressekanäle, um die zahlreichen Positivbeispiele wirklich auch mal publik zu machen, unterstützen sie in ihrer Arbeit. Dabei haben sie selbst eigentlich einen den schönsten Jobs der Welt: Menschen einen Job und somit auch eine Perspektive für ein selbstbestimmtes Leben zu vermitteln. 

Stattdessen haben viele operative Kräfte bereits eine "gesunde" Portion Galgenhumor gegen die täglich neuen Vorwürfe und das ihnen pauschal entgegengebrachte Mißtrauen entwickelt oder verweisen schlichtweg auf die "schwarzen Schafe" der Branche, die aber eben auch niemand so wirklich beim Namen nennen möchte. Zudem gibt es auch keine konkrete Definition, was eigentlich ein "schwarzes Schaf" ausmacht und woran man es erkennt. Jeder versteht etwas anderes darunter. Die einen machen es an der jeweiligen Tarifbindung fest. Andere widerum an Gesetzesübertretungen. Schlussendlich ist man sich nur dahingehend einig, dass ein Zeitarbeitsunternehmen dann zu den "schwarzen Schafen" gehört, wenn ihm durch die zuständige Aufsichtbehörde ihre Lizenz zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung entzogen wurde, was jedoch äußerst selten passiert und dann auch meist nicht in den Medien erscheint oder zumindest nicht von der breiten Bevölkerung wahrgenommen wird.

Auch die Gewerkschaften bieten den operativen Kräften keine Hilfe, obwohl sie eigentlich ebenfalls Anlaufstelle dieser Mitarbeitergruppe sein sollten. Was ist also zu tun, wenn man nicht einfach - wie zahlreiche andere zuvor - frustriert aus der Branche aussteigen will? Wenn man  stattdessen lieber dafür kämpfen möchte, dass die Branche auf Augenhöhe mit allen anderen Branchen stehen soll? Nicht mehr nur eine negativbehaftete Notlösung für den Bewerbermarkt sein soll? 

Mögliche Lösungsansätze könnten aus einer Richtung kommen, in der sich seit geraumer Zeit noch hinter vorgehaltenden Händen still und leise, fast unbemerkt etwas zusammenbraut. Ein Zusammenschluss von operativen Kräften jenseits der Zeitarbeitsverbände und Gewerkschaften. Eine regelrechte Gilde von operativen Kräften, die vom Modell des ehrbaren Kaufmannstums und der Branche selbst überzeugt sind. Die bereit sind, sich den aktuellen Problemen zu stellen, sie beim Namen nennen möchten und schlussendlich  konstruktive Lösungsansätze hierzu präsentieren wollen. Hierbei unterstützt werden sie von Branchenkennern, Juristen, anderen Fachspezialisten, Einkäufern und Personalern auf Kundenseite und auch von Aussteigern der Branche. Zudem sollen sie auch einen engen Kontakt mit Zeitarbeitern sowie ehemaligen Zeitarbeitern pflegen und sich mit ihnen hierzu austauschen. Man darf in jedem Fall gespannt sein, wie sich diese Kraft in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird, in die bereits viele eine Menge Herzblut, Engagement und Freizeit investieren. Besonders der Bewerber- und Kundenmarkt wird diese neue Kraft innerhalb der Zeitarbeit im Auge behalten.

Dienstag, 9. November 2010

AWO Essen: Zeitarbeitsmißbrauch mal anders

AWO Essen - Mißbrauch von Zeitarbeit?
Ich glaube, uns allen klingeln noch die Ohren, wenn man an den so genannten Fall "Schlecker" denkt bzw. die Gründung eines Zeitarbeitsunternehmens mit dem Namen Meniar, das wohl anscheinend oder sogar recht offensichtlich nur mit dem Zweck gegründet wurde, um Stammbeschäftigung über einen Drehtüreffekt abzuschaffen. Da waren sich mal alle einig - Wirtschaft, Parteien aller Fraktionen und allen voran die Sozial- und Wohlfahrtsverbände, denen eben auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) angehört: "Das ich ein Mißbrauch von Zeitarbeit." Auch die Bundesregierung ließ nicht lange auf sich warten und startete sehr zügig eine Initiative, solchen Drehtüreffekten mit einer Veränderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetztes (AÜG) einen Riegel vorzuschieben. Obwohl sonst keine Riesenfans von weiteren gesetztlichen Regulierungen der Branche, waren es diesmal auch allen voran die Zeitarbeitsverbände selbst, die dies ausschließlich begrüßten. So wollen auch sie mit solchen ihrerseits selbst genannten Mißbrauchsfällen der Zeitarbeit nichts zu tun haben.

Ähnlich kommt nun jedoch die SPD nahe Arbeiterwohlfahrt Essen daher. Nach einigen Presseberichten wissen nun auch viele sonst nicht so zeitarbeitsaffinen Bürgerinnen und Bürger, dass auch die AWO Essen bereits 2007 ein eigenes Zeitarbeitsunternehmen gründete, um ihr Personal sytematisch auszulagern. Die AWO Service GmbH. Die AWO Essen hat für sich beschlossen, dass sie im Pflegebreich künftig nur noch Zeitarbeitnehmer/innen beschäftigen möchte bzw. alle Neueinstellungen nur noch in Form von Zeitarbeit vollzogen werden. Übernahme oder Equal Pay ("Gleicher Lohn für gleiche Arbeit") ausgeschlossen. Zumindest ihrerseits. Die Schuldfrage hierfür hat die AWO Essen auch schon zugewiesen: Der aus ihrer Sicht zu niedrige Geldfluss seitens der Pflegekasse ist Schuld an der hausinternen Zweiklassenentlohnung. Interessante These.

AWO...damit bringt jeder Gemeinnützigkeit und Soziales in Verbindung. Wohlfahrt eben. Schon lange betreiben die so genannten Sozial- und Wohlfahrtsverbände aber parallel noch knallhart gewinnorientierte Gesellschaften, gerade in den Bereichen, die als Niedriglohnsektor bekannt sind und wo zahlreiche Vollzeitbeschäftigte dennoch zu den so genannten "Aufstockern" zählen, weil sie von ihrem Lohn allein nicht leben können. So eben auch der Pflegebereich.  Dem Bereich, dem man ggf. aus zahlreichen Gründen einen oder gleich mehrere Familienangehörigen anvertraut. Nicht selten sogar sein gesamtes Ersparte und Teile des monatlichen Einkommens mit einbringt, damit es ihnen möglichst an nichts fehlt. 

Viele Mißstände im Pflegebereich sind bereits bekannt. Falls nicht, kann man die zahlreichen Pflegekräfte befragen, die bereits aus der Branche ausgestiegen sind oder es planen, weil eben der Gewinn und schon lange nicht mehr der Mensch im Vordergrund der täglichen Arbeit steht. Und wo sparen gewinnorierntiert agierende Unternehmen gern mal? Richtig. Beim Personal! Chronische Unterbesetzungen, viel zu enge Pflegedienstpläne, Burnouts oder hohe Krankenstände sind nicht selten die Folge personalwirtschaftlicher Fehlplanung wider besseren Wissens, jedoch zum Wohle der eigenen Marge, aber eben auch zulasten der zu pflegenden Menschen.

Und die AWO Essen steht in ihrer Stellungnahme auch offen dazu. So rechtfertig man sich u. a. wie folgt: "Die Heime sind ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor für die AWO Essen. Deshalb diente die Maßnahme, eine zweite Tarifebene über AWO Service einzurichten, neben dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit auch der Sicherung der Arbeitsplätze."

Schuld für die hausinterne Zweiklassenentlohnung ihrer Mitarbeiter/innen trifft die AWO Essen laut eigenen Angaben natürlich nicht. Schuld scheint nun neben dem zu geringen Geldfluss aus der Pflegekasse auch der sonstig immer so hochgeschätzte Tarifpartner Ver.di zu sein. So heißt es ebenfalls: "Wie schon 2008 besteht nach wie vor die Bereitschaft, mit Verdi über einen Haustarifvertrag für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AWO Service GmbH zu verhandeln." Auch aus meiner Sicht nicht notwendig, denn schon jetzt gilt "gleicher Lohn für gleiche Arbeit", sofern man keinen gültigen Zeitarbeitstarif anwendet. Zudem besteht Vertragsfreiheit in Deutschland, d. h. die AWO Service GmbH hätte jederzeit den gleichen Lohn zahlen dürfen. Eine Forderung, die auch nachfolgend noch mal seitens der AWO selbst aufgenommen wurde.

In einer Pressemeldung reagierte der AWO-Bundesvorsitzende Wolgang Stadler: "Leiharbeit ist ein Auswuchs eines sich ausweitenden Niedriglohnsektors in Deutschland. Von Seiten des AWO Bundesverbandes fordern wir seit langem, diesem Anwachsen durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes und die Stärkung von Tariflöhnen einen Riegel vorzuschieben. Gleichzeitig müssen die aus der Gleichbehandlung von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitnehmern und einem gesetzlichen Mindestlohn resultierenden veränderten finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Träger dabei bei der Refinanzierung berücksichtigt werden." Nun möchte man Sanktionsmöglichkeiten innerhalb der AWO prüfen.

Und wieder steht die Zeitarbeitsbranche im Fokus negativer Berichterstattungen, die sie selbst eigentlich gar nicht zu verantworten hat. Hier beweist diesmal ein Wohlfahrtsverband, wie sehr man Zeitarbeit pervertieren kann und nicht die Branche selbst. Die AWO Essen liebt anscheinend Zeitarbeit. Im Pflegebereich entscheidet die Qualität und Motivation des Pflegepersonals über die Qualität der Pflege selbst. Da sollte man künftig dran denken, wenn man mal einen Pflegedienst oder gar einen Pflegeheimplatz benötigt. Man sollte sich eben auf knallharte Fakten und nicht auf irgendwelche sozial erwünschten Phrasen vermeintlicher Gutmenschen verlassen. Die AWO Essen beweist, dass man durchaus Wasser predigen und Wein trinken kann.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Kartenhaus der Glaubwürdigkeit

Mindestlohn Zeitarbeit. Ein Thema, dass die Republik spaltet. Als Heilbringer zur positiven Verbesserung des Image der Zeitarbeitsbranche gefeiert, gewinnt dieses Modell immer mehr Befürworter. Auch politisch.

Besonders die CDU/CSU tritt innerhalb der Bundesregierung mit voller Überzeugung für den Mindestlohn Zeitarbeit ein, den sie in der letzten Legislaturperiode noch wehement gegen ihren damaligen Bündnispartner SPD verhindert hat.  Der Mindestlohn Zeitarbeit, der seitens der Union ja neuerdings so wichtig erscheint, wäre also schon längst gelebte Realität, hätte sie ihn selbst nicht verhindert.

Nachdem sich nun alle relevanten Zeitarbeitsverbände (AMP/BZA, iGZ und BVD) sowie beide gewerkschaftlichen Tarifgemeinschaften (DGB und CGZP) zum 01. Mai 2011 auf eine gemeinsame einheitliche Lohnuntergrenze für Zeitarbeiternehmer geeinigt haben und auch der BDA diesen nun vorbehaltslos unterstützt, stehen die Chancen für einen Mindestlohn Zeitarbeit gar nicht mal schlecht. Okay...auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands konnte oder wollte man immer noch nicht auf Ost- und Westlöhne verzichten. 

Lediglich die FDP weicht derzeit nicht davon ab, diesem Mindestlohn nicht zustimmen zu wollen und stattdessen Equal Pay, also gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu fordern und bleibt damit gleich zwei ihrer Grundsätze treu, die sich zudem in diesem Kontext auch noch als äußerst arbeitnehmerfreundlich entpuppen:
  1. Löhne werden nicht gesetzlich diktiert, sondern frei zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ausgehandelt.
     
  2. Leistung muss sich lohnen. Also auch gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Zeitarbeiter.
Das schmeckt natürlich vielen Akteuren der Zeitarbeit nicht. Aber was spricht eigentlich dagegen, mal abgesehen vom geringfügig höheren bürokratischen Aufwand, den Zeitarbeitsfirmen und ihre Kunden hierzu betreiben müssten? Wenn überhaupt, denn wie hoch Equal Pay tatsächlich ist, könnte einfach im jeweiligen Arbeitsnehmerüberlassungsvertrag (AÜV) vermerkt bzw. in diesem rechtsverbindlich dokumentiert werden, ohne nur ein einziges zusätzliches Blatt Papier hierfür produzieren zu müssen. Was spricht also gegen das Modell: Als Mindeststandard gilt der Zeitarbeitstarif, den Arbeitgeber und Gewerkschaften hierzu miteinander ausgehandelt haben und immer dann, wenn die Stammbeschäftigten eines Kundenunternehmen mehr verdienen, so erhält auch der Zeitarbeitnehmer mehr Geld. Eben gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Einen gleichen Lohn, der übrigens ebenfalls nicht durch den Gesetzgeber, sondern zwischen Arbeitsvertrags- bzw. Tarifpartner frei miteinander ausgehandelt wurden. 
 
Ist der vermeitlich faire Mindestlohn Zeitarbeit tatsächlich so fair, wie er der Gesellschaft verkauft wird oder eigentlich nur dazu da, Zeitarbeitern den gleichen Lohn für gleiche Arbeit, dann nur schicker, weiter legitimiert verweigern zu können?

Parallel häufen sich die Berichte, dass Zeitarbeitsunternehmen immer stärker ein Nebengeschäft betreiben, nämlich Werkvertragslösungen. Sie übernehmen selbständig ganze Abteilungen oder Arbeitsabläufe in anderen Unternehmen. Völlig legitim. 

Merkwürdig hierbei ist, dass manche von ihnen, die sich bei den jeweiligen Fraktionen in Bund und Ländern förmlich für den Mindestlohn Zeitarbeit die Hacken wund laufen, weil dies in ihrem Kerngeschäft nur fair gegenüber ihren Mitarbeitern wäre, dann aber hingehen und in diesen Nebengeschäften der Werkverträge teilweise ihren Mitarbeitern (völlig legal) nur den halben Lohn zugestehen, den sie im Rahmen der Zeitarbeit selbst noch als fairen Mindeststandard anpreisen.

Meine persönliche Meinung ist, dass dem offensichtlich schlechterem Modell Mindestlohn Zeitarbeit jetzt nur noch in dem Kontext seitens aller Regierungsparteien als guter Kompromiss zugestimmt werden kann bzw. darf, wenn die Verbände AMP/BZA, iGZ und BVD mindestens eine gemeinsame Selbstverpflichtung abgeben, dass ihre Mitgliedsunternehmen auch bei Werkvertragslösungen ihren eigenen Zeitarbeitstarif anwenden. Nur das schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit sowie eine wirklich faire Lösung für die Mitarbeiter der Zeitarbeitsunternehmen. Sie würden hiermit auch der Bundesregierung gegenüber authentisch signalisieren, dass es ihnen wirklich ernst ist, faire Mindeststandards errichten und schützen zu wollen und das sie sich zudem nicht das Hintertürchen (Schein-)Werkvertrag offen halten wollen.

Freitag, 24. September 2010

... von denen die auszogen, das Fürchten zu lehren

Das Tagewerk vollbracht, den Scotch auf dem Tisch und die Nerven entspannt lasse ich gerade meine Gedanken ein wenig schweifen – und kam unausweichlich zu dem am Montag ausgestrahlten Artikel hinsichtlich der Schein-Werkverträge und eines erneuten „schwarzen Schafes“ das medienwirksam enttarnt wurde und wegen dem wir uns – die Branche – wieder auf sämtlichen Ebenen vor – zur Recht – empörten Gutmenschen rechtfertigen müssen.

Wieder ein Dämpfer für jedwede Form von positivem Marketing, positiven Meldungen und Initiativen – so es sie denn gäbe – von unseren Verbänden und Tarifpartnern, welche die Arbeitnehmerüberlassung ins rechte Licht rücken könnten.

Doch Nein - wieder gab es ein rücksichtsloses und egoistisches Unternehmen, dass einzig und allein des Umsatzes wegen auf jedwede Form von Moral, Anstand, Wirtschaftsethik und – Gott verdammt nochmal ! – Vernunft geschissen hat.
Wieder „nur“ ein schwarzes Schaf.

Ich bin mit Sicherheit alles andere, als ein naivromantischer, dunkelroter Idealist – aber alles hat seine Grenzen. Es gibt Dinge, die man einfach nicht tun, Aufträge die man nicht annehmen und Konditionen die man sich nicht aufzwingen lassen sollte.
Der betriebswirtschaftliche Verstand und ein Grundmaß an moralischer Verantwortung sollte es uns verbieten.

Nun sitze ich hier – wieder einmal – und kann mir, ganz gleich wie sehr ich mich mühe, nicht einreden, dass dies ein Einzelfall war.

Herr Majewski brachte es in seinem Beitrag auf den Punkt: Solche Dinge sind gelebter Alltag.

Ebenso wie alles weitere, was der Branche in regelmäßigen Abständen vorgeworfen wird.

Falsche Eingruppierungen, falsche Lohnfortzahlung, falsche KuG-Abrechnungen, Missbrauch von 400 EUR Jobs, widerrechtliche Lohnkürzungen, Missachtung des AEntG und der Baubetriebeverordnung – ob aus Vorsatz oder aus Inkompetenz heraus ist hierbei nebensächlich, da es im Ergebnis keinen Unterschied macht.

Doch ich frage mich, wohlgemerkt als ehemaliger Insider, ob diese Tatbestände – und ich benutze bewusst diese Nomenklatur, da oftmals die Grenze zur strafrechtlichen Relevanz zum Greifen nahe ist – wirklich die Handlungen einzelner Angestellter sein können.

Können in Zeiten, in denen selbst „Manni’s Kiosk“ um die Ecke einen Controller beschäftigt und Kennzahlen dokumentiert, wirklich einzelne Angestellte ohne Anweisung und/oder stillschweigende Duldung einen Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung in diesen Dimensionen aufbauen und vor Ihrer Obrigkeit geheim halten ?

Ich bin der Meinung, mich an dieser Stelle einem äußerst prekären Thema zu nähern, doch auch auf die Gefahr hin, demnächst mit einem verlängerten Zahnarzt-Spiegel den Unterboden meines Wagens prüfen zu müssen, bevor ich die Zündung betätige, werde ich diesen Gedankengang zu Ende führen.

Und ich denke – in aller Deutlichkeit – NICHT, dass ein Angestellter oder auch ein leitender Angestellter über einen mittelfristigen Zeitraum hinweg unbemerkt das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung – gleich in welcher Form – zu missbrauchen vermag, ohne das Kennzahlen existieren, die dies offenkundig und transparent werden lassen.

Viele Unternehmen schreiten in einem solchen Fall ein – doch, so fürchte ich - ebenso viele dulden es stillschweigend, wenn es in der BWA positiv darstellbar bleibt. Man lädt diese „Munition“ in sein Magazin für den Fall, dass eines Tages ein Grund benötigt wird, den betreffenden internen Mitarbeiter zu entsorgen – doch solange die Zahlen positiv sind, werden nur wenige eingreifen.

Und das führt mich zu einem durchaus bedenklichen Umkehrschluss, auf den mich u.a. auch viele Privatnachrichten nach meinem ersten Beitrag gebracht haben:

Viele intern Beschäftigen wollen vielleicht gar nicht grenzwertig arbeiten, nur lassen die mündlichen Arbeitsanweisungen der Obrigkeit gar keine Alternative zu. Entweder man spielt mit oder das Arbeitsverhältnis findet ein mehr oder weniger abruptes Ende.

Was soll man tun ?

Man steht allein gegen ein ganzes Unternehmen.
Und wenn man nicht seiner Frau und seinem Kind daheim erzählen möchte, dass man leider ab dem nächsten Monatsersten nur noch 68% seines letzten Verdienstes zu Verfügung hat, beugt man sich. In der heutigen Zeit ist für Altruismus und Edelmut kein Platz – möglicherweise gab es diesen Platz nie, doch das ist ein anderes Thema.

Diese – je länger ich darüber nachdenke, desto plausibler werdende – Darstellung eines delegierten Missbrauchs hat mich auf eine Idee gebracht.

Eine unabhängige Instanz, welche die Schlachten der intern Betroffenen an Ihrer statt schlägt und den internen Mitarbeitern – allen internen Mitarbeitern – eine Stimme und eine Plattform bietet, Widerstand zu leisten gegen Arbeitgeber die Ihre internen Angestellten zu Arbeitsweisen der  „schwarzen Schafe“ nötigen – eng betrachtet dazu nötigen, selbst ein schwarzes Schaf zu werden.

Die Branche muss einen Weg finden, sich selbst zu bereinigen, bevor die Reputation der Arbeitnehmerüberlassung unwiderruflich geschädigt ist.

Weder Tarifpartner, noch unsere Verbände, noch die Presse noch das LAA vermag, uns ausreichend zu regulieren. Darum sollten wir dies – meiner Meinung nach – selbst in die Hand nehmen.

Unserer selbst willen und um den Willen jener, die – unbeabsichtigt und ungewollt – durch unser Nichthandeln geschädigt werden.

Es ist an der Zeit.
Zeit für einen „inneren Kreis“.
Zeit für eine Institution, welche die weißen von den schwarzen Schafen trennt.
Zeit für einen Hirtenhund, welche die weißen Schafe vor dem Wolf beschützt.
Zeit für eine – flächendeckend – seriöse Zeitarbeit.
Unsere Zeit.


Autor: Sebastian Strottmann













Mittwoch, 22. September 2010

(Schein-)Heiligkeiten

Foto: doob
Und wieder ist ein Sturm der Entrüstung ausgebrochen. Ver.di und Report Mainz haben eine vermeidlich neue Masche bei Zeitarbeitsfirmen entdeckt. Den Werkvertrag.

Im genannten Beispiel soll ein Zeitarbeitsunternehmen für zahlreiche Unternehmen im Einzelhandel als Sub-Unternehmer aufgetreten sein und seine Mitarbeiter/innen hierbei extrem schlecht und nicht sozial erwünscht entlohnt haben. In dem Beitrag war von 10- bis 12-Stundentagen im Akkord die Rede sowie von 14 bis 15 Arbeitstagen in Folge und monatlich 900 EUR netto "Lohnausbeute".

Ist das wirklich so oder bloß ein Einzelfall? Ich sage: Nein, es ist kein Einzelfall, sondern gelebte Realität und das bereits seit vielen, vielen Jahren. 

Auch ich habe solche Auftragsanfragen in meinen Berufsjahren in der Zeitarbeit regelmäßig erhalten. Gerade aus dem Einzelhandel, aber auch aus der Logistik, Abfallwirtschaft und dem Recycling. Meist zu Preisvorgaben, die streng ökonomisch betrachtet lediglich Stundenlöhne von brutto 3,50 EUR bis maximal 6,00 EUR, mitunter auch für gelernte Kräfte, zugelassen hätten. Immerhin sind Zeitarbeitsunternehmen, ob im Rahmen der Zeitarbeit oder Werkverträgen, keine  karitativen Einrichtungen. Glücklicherweise hatte ich Chefs, die diesen schnellen Euro nicht mitnehmen wollten oder gar mussten bzw. mich mündlich hierzu genötigt hätten, solch einen Auftrag anzunehmen (siehe hierzu auch den Beitrag von Gast-Autor Sebastian Strottmann). Ich klopfe hierfür nachträglich auf Holz.

Nun ist die Empörung wieder groß und die Forderung des Zeitarbeitsmindestlohns wird als Goldenes Kalb der Problemlösung angepriesen. Völlig falsch in diesem Zusammenhang, denn: Auch ein Mindestlohn Zeitarbeit könnte dies nicht verhindern. Wie bereits zuvor beschrieben, handelt es sich in diesen Fällen nicht um Zeitarbeit, sondern um einen Werkvertrag. 

Für den Ottonormalbürger ist es nicht nachvollziehbar, weshalb sich Zeitarbeitsunternehmen im Rahmen solcher Werkverträge nicht auch an ihren Tarifvertrag halten müssen. Das ist jedoch recht einfach zu erklären: Die Zeitarbeitstarife erlauben dies, in dem sie es nicht ausschließen. Etwa eine gewollte Regelungslücke? Man kann nur spekulieren...

Ja, selbst die DGB-Tarife mit dem iGZ und BZA haben keine Regelung hierzu vereinbart. Auch wenn sie kontinuierlich für eine faire Zeitarbeit mit ihrem Zeitarbeitsmindestlohn werben. Wer sich Fairness auf die Fahnen schreibt, dem sollte hierbei auch automatisch eine besondere Verantwortung zuteil werden. Sie könnten solche Dinge ruckzuck selbst ändern und  einfach mit gutem Beispiel voran gehen, wenn sie es denn wirklich wollen und es ihnen auch wirklich ernst ist. Beispielsweise mit einem Mitglieder-Fairnessabkommen, wo diese sich verpflichten, auch bei Werkvertragsaufträgen mindestens ihren eigenen Zeitarbeitstarif anwenden zu wollen, für den sie ja sogar bei der Bundesregierung derzeit massiv als Branchenmindestlohn werben. Der Fairness wegen...versteht sich. Gerade DGB, iGZ und BZA könnten hier unter Beweis stellen, dass ihnen Fairness und Mindeststandards für die Beschäftigten ihrer Mitgliedsunternehmen wirklich wichtig sind. Mit einem Mitglieder-Fairnessabkommen im eigenen Haus. Ganz ohne bundespolitische Hilfe, sondern völlig (tarif-)autonom als verantwortungsvoll agierender Wirtschaftszweig, der soziale Verantwortung übernimmt.

Freitag, 17. September 2010

Die „guten alten Zeiten“ oder was König Lear und die AÜ gemeinsam haben (Sebastian Strottmann)

Ein klassischer, nüchterner Fachbericht steht mir – wie jene bestätigen werden, welche meine Beiträge von Xing kennen – nicht wirklich gut zu Gesicht.

Da ich jedoch nichts desto trotz meiner Funktion als Gastautor nachkommen möchte, ist mein Ansatz dieses ersten Blog-Versuchs – ich bitte daher schon mal präventiv um Nachsicht – ein anderer.

Ich versuche die Stimmung und den Geist dessen aufzufangen, was die meisten von uns – bewusst oder unbewusst – spüren. Ein Sturm steht der Branche bevor.
Die Kernfrage – jene, ob uns dieser Sturm sinken lassen oder uns nur durchrütteln wird – ist es, welche derzeitig das Tagesgeschäft von uns allen überschattet.

Wie wird es weitergehen gleichermaßen unter Berücksichtigung der – teils naivromantischen, teils blindaktionistischen – Vorschläge aus dem politischen Feld, der Europäischen Entsenderichtlinie, deren Umsetzung selbst heute, weniger als dreieinhalb Monate vor Inkrafttreten nicht mehr Kontur angenommen hat, wie am ersten Tag Ihres Beschlusses und nicht zuletzt, dem gesellschaftlichen Druck, welcher sich – sowohl gegen die Tarifpartner, als auch gegen einzelne Unternehmen – jeden Tag stetig steigert.

An diesem Punkt schaue ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück an meinen persönlichen Beginn in der Branche – zum Anfang des neuen Jahrtausends.

Ohne mich zu einem obligatorischen „Früher war alles besser“-Monolog hinreißen lassen zu wollen, muss mir – so hoffe ich – dennoch die Mehrheit der Leser, welche schon langjährig in der AÜ tätig sind, beipflichten wenn ich sage, dass die Branche in längst vergangenen Tagen bodenständiger und ehrlicher war, als sie es heute ist.

Erinnern wir uns doch – nur für einen kleinen Moment – an jene Tage, an denen wir uns „Zeitarbeit“ nannten – nicht „Personaldienstleister“, „Wertschöpfungspartner“, „Human Ressources Specialist Junior assisting Account Manager“-Anglizismen-bullshit.

Erinnern wir uns an die Zeit, als wir Vertriebsdisponenten waren – ohne „Hunter & Farmer“-Schemas, ohne Recruiter und ohne Titel, deren Wortgewalt meist in antiproportionaler Relation zu dem realen Anspruch der Position steht.

An die Zeit, in der das SIS noch das SIS war und nicht die Jobbörse.

Als wir – im Falle einer überraschenden Abmeldung – selbiges durchkämmen konnten und fast immer eine zeitnahe Alternative für einen gewerblich-technischen LAN fanden und wir uns überrascht zeigten, als von 100 Treffern vielleicht 20% andere Arbeitnehmerüberlasser gelistet wurden.

An die Zeiten, in denen wir unsere lokalen Wettbewerber – zumeist persönlich – kannten und die meisten von ihnen respektierten.

Als Geschäftsführer noch den Schneid dazu besaßen, Arbeitsanweisungen schriftlich per Fax, Mail oder Post darzustellen und nicht überwiegend in – bewusst – rein mündlicher Form, damit es keinen schriftlichen Nachweis über eben jene Anweisungen gibt.

Als die Niederlassungsleiter die BWA’s Ihrer Niederlassungen zumeist bis zum DBII herunter transparent kannten.

Als die internen Besetzungen der Niederlassungen, zumeist ein NLL, ein Disponent und eine administrative Kraft, sich als Team verstanden – nicht als Konkurrenten im Team.

Natürlich war damals nicht alles besser.

Wir hatten keine Tarifverträge, hatten keinen eigenen Ausbildungsberuf und hatten – vor allen Dingen – bedeutend weniger Cashflow in der Branche.
Es gab bedeutend weniger richtige und wichtige Regularien, es gab maximale Überlassungsfristen und es gab keine Arbeitszeitkonten.

Aber dennoch hatten wir das Glück, unseren Feinden zumeist ins Gesicht blicken zu können – da das Rückgrat damals bedeutend mehr Beliebtheit erfuhr, als heute – und wir hatten das Glück dass selbst bei ungelernten Kräften ein Faktor 2,00 – 2,10 absolut realistisch zu erzielen war und eben nicht dadurch, dass die Mitarbeiter so wenig verdienten – Nein ! - , sondern weil die Kundenbereitschaft zu sittenkonformen Verrechnungssätzen einfach viel höher ausgeprägt war, als sie es heute ist.

Und nun schlage ich an dieser Stelle den Bogen zu dem Titel meines offenen Gedankenspiels :

König Lear. Ein Mann, der alles was ihm lieb und teuer war dadurch verloren hat, sich durch persönliche Eitelkeiten und sein verletztes Ego leiten zu lassen.

Manchmal wenn ich die letzte Dekade in dieser Branche reflektiere, frage ich mich, ob es uns vielleicht ähnlich geht.
Ich frage mich – trotz der enormen Expansion der Branche und den absolut positiven Prognosen für die kommenden Jahre – ob sich die Branche vielleicht durch verletzte Eitelkeit und ein gekränktes Ego selbst um vieles von dem gebracht hat, was uns ausmachte.

Auf Negativberichte welche – teils im großen, teils im kleinen Rahmen – wieder und wieder veröffentlicht werden, reagieren wir beinahe schon instinktiv und reflexgesteuert mit dem „schwarzen Schaf“-Leitfaden. Doch betrachte ich selbstkritisch die Anzahl dieser Meldungen, dann haben wir eine verdammte schwarze Herde mitten unter uns.

Betrachten wir die Preisentwicklungen des Marktes – besser gesagt den Preisverfall – wird uns bewusst, dass es wohl immer einen schlechten Kaufmann gibt, der jeden Preis annimmt, EGZ’s fest in seine Kalkulation integriert und die betriebswirtschaftliche Logik allein schon einen aktiven Missbrauch voraussetzt, damit das Projektbudget überhaupt darstellbar wird.

Wir sehen Großkonzerne, die unsere Branche systematisch dazu benutzen, einen Lohnverfall der Mittelschicht herbeizuführen und – mittelfristig unter Berücksichtigung der heutigen Prognosen – die Konsumlandschaft nachhaltig verändern werden.
Ob gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst – wir drehen an einem Rad, dass aus volkswirtschaftlicher Perspektive mehr als ungesund ist.

Wir sehen, dass die Branche teils zu etwas instrumentalisiert wurde, für das wir uns eigentlich viel zu schade hätten sein sollen. Doch die zwei oder drei oder vier Millionen pro Großkunde mehr Umsatz klangen einfach viel zu verlockend, als dass wir nicht nach diesem Apfel gegriffen hätten – oftmals begleitet von „persönlichen Vorteilen“, welche den Funktionsträgern der Besteller oftmals zuteil wurden.

Die meisten von uns sind doch der Meinung, dass das heutige Geschäft und die gängigen Praktiken der „modernen Personaldienstleistung“ absolut integer sind und über jede gesellschaftliche Debatte aufgrund ihrer unleugbaren wirtschaftlichen Notwendigkeit erhaben sein sollte.

Doch ist das so ?

Ist es erstrebenswert, dass in diesem Bereich das individuelle Profil nahezu gar keine Berücksichtigung mehr findet und an seiner statt ein monatliches oder jährliches Stundenvolumen tritt ?
Ist es effizienzsteigernd wenn – meinem persönlichen Eindruck nach – immer mehr Disponenten und NLL’s nahezu völlig ahnungslos von den Fähig- und Fertigkeiten sind, welche Ihre LAN’s zu erbringen haben – von erweitertem Wissen aus dem AÜG, der BaubetrV, dem AEntG oder dem Entgeltfortzahlungsgesetz ganz zu schweigen.

Dies sind Dinge, die sich die wenigsten von uns eingestehen, doch wissen wir alle, dass sie real sind.
Keine Schreckensgespenste der Politik oder der Gewerkschaft – es sind unsere gänzlich realen Leichen im Keller.
Ein offenes Geheimnis, welches keiner wahrhaben oder gar  thematisieren will.
„Aussitzen“ ist bisher die einzige Gegenstrategie die ich sehe.

Ich könnte nahezu endlos weiter referieren über Defizite, die jeder Interne mit einigen Jahren Erfahrung – mit knirschenden Zähnen der Einsicht – wiedererkennen wird, doch dies ist nicht mein Anliegen.

Mir ging es darum, anhand exemplarischer Missstände meine These zu untermauern, dass die Branche auf die falschen Menschen hört und sich von den falschen Motiven leiten lässt – genau wie König Lear.
Doch denke ich auch, dass wir – mit mehr Weisheit gesegnet als der besagte Monarch – (noch) aktiv gegenlenken können und müssen.
Wir sind - glücklicherweise – (noch) sehr weit entfernt von dem Ende dieser möglichen Tragödie.

Wenn die Branche eine gewisse Parallele zu König Lear aufweist, dann sollte dieser Blog – gemeinsam mit allen Lesern – und MPiD zum „Narren“ werden, der versucht, den König zur Vernunft zu bringen – im Gegensatz zu Shakespeare bevor es zu spät ist und die Tragödie ihren unwiderruflichen Lauf nimmt.

Denn ich liebe diese Branche.
Ich bin überzeugt von dem Konzept und der Struktur der Arbeitnehmerüberlassung und keinesfalls möchte das Modell der Zeitarbeit als Ganzes in Zweifel stellen.
Einzig und allein der derzeit gängigen Praxis widerspreche ich aus Schärfste.

Sind Sie meiner Meinung oder denken Sie, ich sehe die Dinge zu schwarz ?
Ich bin auf Ihre Stellungnahmen sehr gespannt und bedanke mich für Ihre Zeit.


Hochachtungsvoll 

Sebastian „100% copy & paste frei“ Strottmann












Montag, 13. September 2010

Es war einmal...MPiD.

MPiD Network
Knapp drei Jahre ist es jetzt her, als eine handvoll Leute auszogen, um im Social Media eine Plattform zu schaffen, die Personaldienstleister unterschiedlicher Diziplinen, Verbände und Hierarchiebenen miteinander verbindet und die es zu diesem Zeitpunkt auch noch gar nicht gab. Hierzu angeboten hatte sich zu diesem Zeitpunkt die Plattform XING, (damals noch openBC), die als Businesscommunity und insbesondere als Marketingtool und Vertriebsplattform von sehr vielen in der Personaldienstleistung tätigen Akteure genutzt wurde. Anfangs noch belächelt und als Spinnerei abgetan, wuchs hieraus recht schnell die größte Onlineplattform für Personaldienstleistungen in Deutschland, mit derzeit über 5.200 Mitgliedern und über 12.580 Diskussionsbeiträgen.

Fach- und Führungskräfte aus der Personaldienstleistung können sich seither mit kompetenten Experten aus den Disziplinen Personalberatung, Personalvermittlung, Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit), Onsite-Management, Transferberatung, Outplacement, Outsourcing, HR SSC oder Contracts austauschen und Kontakte in dieser Zielgruppe knüpfen. In Essen (Ruhr) trifft sich mittleweile auch schon seit knapp zweieinhalb Jahren allmonatlich der MPiD Network Rhein|Ruhr zum persönlichen Austausch. 

Bei MPiD werden nicht nur aktuelle Ereignisse und Zukunftvisionen näher beleuchtet, sondern auch völlig bodenständig den Bereichen Personal- und Kundenmanagement sowie dem Arbeitsmarkt branchenspezifisch auf den Zahn gefühlt. Die Kurzbezeichnung MPiD (Moderne Personaldienstleistungen in Deutschland) ist mittlerweile jedem Branchenakteur ein Begriff, denn hier lesen und diskutieren Branchenkenner, was wirklich interessiert.

Neben den Praktikern bietet MPiD aber auch im Rahmen des „MPiD-Campus“ personalwirtschaftlich orientierten Wissenschaftlern und Studierenden eine Plattform, auf der es sich für sie zu publizieren lohnt! Gerade Diplomanden und Doktoranden nutzen MPiD auch gern für Studien, Umfragen oder sonstige Informationen. 

Bemerkenswert ist jedoch, dass gerade die Vertreter aus der Politik und auch aller Parteien sowie den Gewerkschaften MPiD für sich noch nicht entdeckt haben. Obwohl sie sich besonders derzeit sehr stark mit der Personaldienstleistung - und hier explizit mit der Zeitarbeit und Privaten Arbeitsvermittlung - auseinandersetzen, scheuen sie sich anscheinend davor, auf das Wissen von über 5.200 Fachkräften, Mitarbeitern und Kunden zurückzugreifen, um sich ein wesentlich umfangreicheres und praxisrelevanteres Bild verschaffen zu können. Anders können sich das viele Branchenangehörige nicht erklären, wenn ihre Einladungen zu MPiD in aller Regelmäßigkeit ignoriert werden. Nicht selten bemerken Branchenkenner deshalb verstärkt deren thematisches Halbwissen, dass offensichtlich auch nicht vor einigen ihrer Berater Halt zu machen scheint. An mangelnden Einladungen hierzu fehlte es ihnen und ihren Beratern zumindest bisher nicht. Selbst die Branchenverbände, allen voran der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. aus Münster (iGZ),  haben die Möglichkeiten dieser Plattform und den Nutzen dieser Schwarmintelligenz schon lange für sich erkannt.

Montag, 6. September 2010

Zeitarbeiter sollen wohl zweitklassig bleiben...













Schon seit geraumer Zeit schreien die Gewerkschaften, breite Bevölkerungsschichten und spätestens seit dem bekannt gewordenen Fall, in dem eine Drogeriemarktkette Zeitarbeit missbräuchlich bzw. anders als ursprünglich angedacht und sozial erwünscht gewesen wäre anwandte, auch die Politik, dass Zeitarbeiter besser geschützt werden sollen.  

Viele melden sich zu Wort und unzählige Verbesserungsmodelle wurden präsentiert und selbst FDP und Gewerkschaften sind sich mal einig: "Gleicher Lohn, für gleiche Arbeit!" Ein fast schon historischer Moment für beide Seiten, mal einer Meinung zu sein. Ich hoffe, dass hierbei kein für beide Seiten bisher so wichtiges Feindbild ernsthaft beschädigt wurde. Nach dem zuständigen Ministerium und den Zeitarbeitsverbänden, legen nun auch noch die Gewerkschaften ihre Änderungsvorschläge zum Gesetz zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - kurz AÜG genannt - vor.

Besonders peinlich, gerade für die Gewerkschaften, dürfte der Umstand sein, dass niemand an die kleine, aber wichtige Feinheit der Begrifflichkeiten gedacht zu haben scheint. So heißt es auch in den neuen Entwürfen  des AÜG immer noch LEIHarbeiter, VerLEIHer oder EntLEIHer. Aber was stört  viele eigentlich an diesen Begriffen, der sich doch mittlerweile schon seit Jahrzehnten eingebürgert haben?

Hierzu nachfolgend eine etablierte Definitionen, die zum Nachdenken anregen soll und aus dem durchaus allgemein anerkannten Gabler Wirtschaftslexikon stammt, welches jeder, der schon mal einen BWL-Grundkurs absolviert hat, eigentlich in seinem Bücheregel wiederfinden müsste.


"LEIHe ist die unentgeltliche Überlassung des Gebrauchs einer Sache (§§ 598–606 BGB). Der VerLEIHer muss den Gebrauch gestatten, haftet nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit und kann i.d.R. die Sache jederzeit zurückfordern. Der EntLEIHer haftet für jedes Verschulden, muss die Sache pfleglich behandeln, darf sie nicht weiterverleihen und muss sie nach Zeitablauf oder Kündigung zurückgeben."


Da streiten wir uns in Deutschland nun tatsächlich darüber, wie fair wir Zeitarbeit nun gestaltet wollen und dann reden wir doch schon wieder von LEIHarbeit? Laut der oben aufgeführten Definition haben LEIHarbeiter streng genommen und Außerachtlassung aller weiteren Rechtsnormen, wie beispielsweise unserer Verfassung, die in der Vergangenheit ja auch gerne mal von der Legislativen recht locker ausgelegt wurde, nichts im Arbeits- und Sozialrecht zu suchen. Sie wären SACHEN, die UNENTGELTLICH verliehen würden. Selbst Vieh hätte Dank Tierschutz einen höheren Stellenwert in Deutschland. Also begrifflich betrachtet. Erinnerungen an die Kolonialzeiten werden wach. Dort gab es sie nämlich, die Menschen, die wie Sachen behandelt und unentgeltlich verliehen werden konnten, nämlich Sklaven. In Deutschland ist Sklaverei übrigens zuletzt 1945 abgeschafft worden.

Also, liebe Gewerkschaften, Politiker sowie politisch stets korrekte Mitbürgerinnen und Mitbürger und auch  alle stets  hierzu sonstig Bemühten: Tut den Zeitarbeitnehmern doch diesen einen klitzekleinen Gefallen und gebt ihnen auch rechtlich menschenwürdige Begrifflichkeiten in den Gesetzen.

Mein Vorschlag:
 
  • Zeitarbeiter, statt der politisch inkorrekten Bezeichnung LEIHarbeiter (=Sklave).
  • Zeitarbeitsunternehmen, statt der politisch inkorrekten Bezeichnung VerLEIHer (=Sklavenhändler).  
  • Kundenunternehmen, statt der politisch inkorrekten Bezeichnung EntLEIHer (=Sklavenbesitzer).

    Menschenwürde kann manchmal so einfach sein, auch ohne Sanktionsandrohungen der UN oder das gleich drei US-Flugzeugträger vor der deutschen Küste vor Anker gehen. Bekämpfen wir erst einmal die Achse-des-Bösen zu Hause, z. B. in Form von Gesetzen, die Menschen als Sachen definieren. Die neuen Begriffe hätten zudem auch noch einen integrativen Effekt. So könnten sich Zeitarbeitnehmer auch endlich begrifflich zu den Arbeitnehmern zählen. Ganz ohne Einbürgerungs- oder Sprachtest.